Die Therapie mit Metformin gilt beim Typ-2-Diabetes als Mittel der ersten Wahl, wenn andere, nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht genügend erfolgreich sind. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehört, dass durch Metformin der Vitamin B12-Status beeinträchtigt werden kann. Auf die gute Versorgung mit B12 sollte dann besonders geachtet werden.
Der im Lauf des Lebens erworbene Typ-2-Diabetes ist weltweit stark verbreitet, in Deutschland geht man von rund 8,5 Millionen Betroffenen aus. In den letzten Jahrzehnten wurde bei den Patienten häufiger ein niedriger Vitamin-B12-Status festgestellt. Zur Therapie des Typ-2-Diabetes wird als Mittel der ersten Wahl meist Metformin zur Senkung des Blutzuckerspiegels verordnet, wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen (Ernährung und Bewegung zur Gewichtsreduktion) nicht ausreichend erfolgreich sind. Metformin hemmt in der Leber die Neubildung von Glukose und verbessert die Glukoseverwertung.
Es gilt als sicher und wirksam für eine verbesserte (glykierte) Hämoglobin-Konzentration (HbA1c), die zur langfristigen Kontrolle des Blutzuckers dient. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehört, dass Metformin auf die Serum-Vitamin-B12-Konzentration negativ einwirken kann. Dieser Zusammenhang ist zwar gut belegt, doch bisher sind die Studienergebnisse zu den genauen Auswirkungen nicht einheitlich. Dazu gehört u. a., dass es verschiedene Definitionen des Vitamin-B12-Mangels gibt. Eine Gruppe von Forschern aus Katar stellte in einem Review die Ergebnisse zu den Wirkungen von Metformin auf den Vitamin-B12-Status bei Patienten mit dem Typ-2-Diabetes vor.
Das wasserlösliche Vitamin B12 (Cobalamin) wird vorwiegend aus tierischen Lebensmitteln aufgenommen, vor allem aus Milchprodukten, Fleisch und Eiern. Vegetarier und besonders Veganer nehmen oftmals zu wenig Vitamin B12 auf, da es nur in wenigen pflanzlichen Lebensmittel enthalten ist. Im Körper wird das B12 aus der Nahrung durch verschiedene Spaltungsprozesse absorbiert. Das so entstehende freie Cobalamin bindet sich an den Intrinsic Factor (IF), ein Trägerprotein, das die Aufnahme im Dünndarm und die Freisetzung in den Blutkreislauf erleichtert, wo es hauptsächlich an die Leber und weiter an periphere Gewebe abgegeben wird. Bei Erwachsenen mit gesunden Magen-Darm-Funktionen liegt die Bioverfügbarkeit von Vitamin B12 zwischen 4,5 % und 83 %, abhängig von den Nahrungsquellen und der Sättigung von Verdauungsproteinen.
Die Bioverfügbarkeit kann bei Personen mit geringer Magensäure sowie bei zu geringem Intrinsic Factor und Trägerproteinen vermindert sein. Vitamin B12 ist ein Coenzym für das Enzym Methioninsynthase, das die Aminosäure Methionin aus Homocystein (ebenfalls eine Aminosäure) regeneriert. Wird dieser Prozess gestört, sammelt sich Homocystein im Stoffwechsel an und kann im Übermaß schädlich wirken. Für die Bestimmung des Vitamin B12-Status verwendet man u. a. die Serum-Cobalamin-Konzentrationen, die an Transportproteine gebunden sind, und nicht die Cobalamin-Speicher im Gewebe. Die Messung von Holotranscobalamin (biologisch aktives Cobalamin) kann aufgrund einer kurzen Halbwertzeit als Frühindikator für eine Vitamin-B12-Malabsorption verwendet werden.
Allgemein kann eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme und -absorption neben anderen Ursachen den Vitamin-B12-Status beeinträchtigen und zu einem Mangel führen. Häufiger betroffen sind ältere Menschen, schwangere und stillende Frauen, Säuglinge sowie chronisch Kranke. Zu den typischen B12-Mangel-Symptomen gehören z. B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Anämie sowie Veränderungen der Haut (Hyperpigmentierung etc.) und des Nervensystems (neurologische Störungen).
Bei Typ-2-Diabetikern, die Metformin einnehmen, um den Blutzuckerspiegel zu senken, werden die zirkulierenden B12-Konzentrationen vermutlich über mehrere Mechanismen beeinträchtigt, die bisher nicht vollständig geklärt sind. Dazu gehört eine gestörte (durch Kalzium vermittelte) Aufnahme des Intrinsic Factor-Cobalamin-Komplexes in einen Teil des Dünndarms (Ileum). Möglich ist auch, dass durch Metformin die Mobilität des Dünndarms beeinträchtigt wird. Metformin verbessert das Glukose-Profil auch durch eine verlängerte Darm-Transitzeit, dies kann das Mikrobiom verändern und zur mikrobiellen Überbesiedelung des Dünndarms führen. Die Darmbakterien nutzen B12 für Stoffwechsel-Prozesse, daraus entstehende Metaboliten konkurrieren mit der B12-Absorption und hemmen die Bindung des Intrinsic Factor-Cobalamin-Komplexes an Rezeptoren in der Dünndarm-Schleimhaut.
Die Forschung über die Zusammenhänge zwischen Metformin und den Serum-B12-Konzentration beim Typ-2-Diabetes ist aufgrund mehrerer Faktoren nicht einheitlich. Das bezieht sich z. B. auf unterschiedliche Metformin-Anwendungen in Bezug auf die Dosis und Dauer der Therapie, aber auch auf unterschiedliche Definitionen des B12-Mangels bzw. verschiedene Messmethoden. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und niedrigen Serum-B12-Konzentrationen wurde ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten festgestellt. Daher ist es empfehlenswert, Diabetiker, die mit Metformin behandelt werden, regelmäßig auf einen Mangel an B12 zu untersuchen. Dies ist bei bekannten Risikogruppen besonders wichtig, z. B. bei Veganern und älteren Menschen, bei der Therapie mit bestimmten Medikamenten (H2-Rezeptor-Antagonisten oder Protonenpumpenhemmer) sowie bei Patienten mit Malabsorptions-Syndromen. Einige Studien zeigten, dass ein zu geringer B12-Status den oxidativen Stress und die Insulinresistenz fördert, was zur schlechteren glykämischen Kontrolle beim Typ-2-Diabetes beiträgt.
Maßnahmen für einen verbesserten Lebensstil mit dem Schwerpunkt auf Körperaktivität und gesunde Ernährung sind gerechtfertigt. Die Körperaktivität wurde mit einem verringerten glykierten Hämoglobin und niedrigerer Medikamenten-Dosierung verbunden. Empfohlen werden wenigstens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche, mit Widerstandstraining zwei- bis dreimal pro Woche. Zu den Ernährungs-Empfehlungen für Diabetes-Patienten gehört der Verzehr ballaststoffreicher Lebensmittel (z. B. Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte), mageres Fleisch und fettarme Milchprodukte, wobei der Schwerpunkt auf Lebensmitteln mit einem niedrigen glykämischen Index oder niedriger glykämischer Last liegt. Häufig werden die Mittelmeerdiät, pflanzliche Ernährung und die DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension) empfohlen, um Gewichtsabnahmen zu unterstützen sowie die Blutzucker-Regulierung und Insulin-Sensitivität zu verbessern. Obwohl die pflanzliche Ernährung für das Blutzucker-Management vorteilhaft ist, weist sie einen erheblichen Mangel an Vitamin B12 auf. Daher sollten vor allem Veganer, die eine Metformin-Therapie erhalten, regelmäßig auf ihren B12-Status untersucht werden.
Die Forscher ziehen das Fazit: Der Zusammenhang zwischen Metformin und niedrigen Serum-Vitamin-B12-Konzentrationen ist recht gut belegt. Ein Mangel an B12 führt u. a. zu Anämie, Hyperhomocysteinämie und nervenbedingten Funktionsstörungen, was ein regelmäßiges Screening auf einen B12-Mangel bei Risikogruppen, wie z. B. Veganern, nahelegt. Ein gesunder Lebensstil in Verbindung mit einer medikamentösen Therapie für eine verbesserte Kontrolle des Blutzuckers sollte beim Typ-2-Diabetes im Vordergrund stehen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für einen B12-Mangel bei Typ-2-Diabetikern an. Noch sind die Zusammenhänge zwischen dem B-12-Mangel und Metformin nicht genau geklärt. In weiteren Studien sollte z. B. der Bedarf an Vitamin B12 in der Nahrung für verschiedene Metformin-Dosierungen ermittelt werden. Auch das Potenzial für verbesserte Lebensstil-Ansätze zur Senkung der Metformin-Dosis und für einen verbesserten B12-Status sollte weiter erforscht werden.
Quelle
Sundus Fituri et al., Impact of metformin treatment on cobalamin status in persons with type 2 diabetes. In: Nutrition Reviews, online 11.5.2024, doi: 10.1093/nutrit/nuad045.