Mikrobiom, gestörte Darmbarriere und Nahrungsmittelallergien


Lebensmittelallergien sind ein wachsendes Problem für die Gesundheit. Neuere Forschungen zeigen, dass an ihrer Entstehung das Darm-Mikrobiom und die Darmbarriere beteiligt sind. Das bietet Ansätze für neue Wege der Therapie.

Lebensmittelallergien nehmen in den westlichen Ländern zu, rund 5 % der Erwachsenen und 8 % der Kinder sind davon betroffen. Sie werden durch verschiedene Faktoren ausgelöst, dazu gehören z. B. eine unausgewogene Ernährung mit dem Verzehr industriell stark verarbeiteter Lebensmittel. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass das Gleichgewicht der Darm-Mikrobiota und die Darmbarriere bei Lebensmittelallergien eine Rolle spielen. Die Darm-Mikrobiota ist eine komplexe Gemeinschaft von Mikroben, die den Darm besiedeln, dazu gehören vor allem Bakterien, aber auch Pilze, Viren und Parasiten. Die Zusammensetzung hängt von vielen äußeren und individuellen Faktoren ab, z. B. Alter, Ernährung und Lebensstil. 

Immer deutlicher wird, dass die Darm-Mikrobiota eine Schlüsselrolle für die Gesundheit hat. Ihre ungünstige Zusammensetzung und Struktur, allgemein als Dysbiose bezeichnet, kann zu Krankheiten führen. Die gesunde Mikrobiota fördert und erhält dagegen die Darmgesundheit, indem sie die Integrität der Darmbarriere (Darmschleimhaut) aufrechterhält, das Anhaften schädlicher Bakterien verhindert, Vitamine bildet und entzündliche Prozesse in der Mikroumgebung des Darms positiv beeinflusst. Die Hauptfunktion der Darmbarriere besteht darin, die Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeiten zu erleichtern und außerdem das Eindringen von Schadstoffen wie Toxinen und Krankheitserregern in das darunter liegende Darmgewebe zu verhindern. Sie schützt auch davor, dass schädliche Stoffe aus dem Darm austreten und so in den Blutkreislauf und andere Körperregionen gelangen.

Zur gesunden Ernährung für die Darm-Mikrobiota gehört die gute Zufuhr von Ballaststoffen. Bei Bedarf können Probiotika (gesunde Darmbakterien), Präbiotika (Substanzen, die gesunde Darmbakterien ernähren) und Synbiotika (Kombination von Prä- und Probiotika) die Mikrobiota im Darm verbessern und als begleitende Maßnahme bei vielen Erkrankungen unterstützen. Das gilt auch für Lebensmittelallergien, die heftige Reaktionen des Immunsystems auf bestimmte Lebensmittel, die normalerweise harmlos sind, auslösen. Sie sind abzugrenzen von der Unverträglichkeit von Nahrungsmitteln, da bei ihnen das Immunsystem an der Reaktion unbeteiligt ist. Lebensmittelallergien sind nur möglich, wenn eine entsprechende Sensibilisierung stattgefunden hat. Voraussetzung ist, dass Antigene die Darmbarriere passieren können, was unter gesunden Bedingungen nicht möglich ist. 

Nach der Sensibilisierung kann es zu allergischen Reaktionen auf spezifische Lebensmittelantigene kommen. Zu den Symptomen gehören z. B. Hautausschläge, anhaltender Durchfall bis hin zu lebensbedrohlichen Immunreaktionen (Anaphylaxie). Die Darm-Mikrobiota gehört zu den Hauptakteuren im komplexen Mechanismus der Sensibilisierung. Eine geringe mikrobielle Diversität und ein erhöhter Anteil an schädlichen Bakterien wird z. B. mit einer späteren Lebensmittel-Sensibilisierung bei Kindern in Verbindung gebracht. Gegenwärtig richten sich die Prävention und Therapie von Nahrungsmittelallergien vorwiegend auf die Vermeidung des jeweiligen Allergens und die Linderung der allergischen Reaktionen. Mit neueren Erkenntnissen über die Rolle der Mikrobiota als Schlüssel zur intakten Darmbarriere eröffnen sich neue Wege der Therapie für Nahrungsmittelallergien. 

Sie können eine gestörte Darmbarriere (leaky gut) wiederherstellen und die Struktur und Funktionalität der Darm-Mikrobiota zurück ins Gleichgewicht bringen. So können die Symptome von Nahrungsmittelallergien gelindert werden. Eine Gruppe italienischer Forscher stellte die aktuellen Erkenntnisse dazu vor. Präbiotika liefern Nährsubstrate für gesunde Darmbakterien. Dazu gehören vor allem Inulin sowie Frukto- und Galakto-Oligosaccharide, die in einigen Gemüse- und Obstsorten (Knoblauch, Chicorée, Zwiebeln, Artischocken, Bananen) sowie in Getreide (Roggen, Mais) vorkommen. Studien zeigen, dass Ergänzungen mit Präbiotika die Vorkommen gesunder Bakterien (Bifidobakterien, Laktobazillen etc.) fördern können. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die positiv auf die Darmgesundheit wirken, wenn sie in ausreichender Menge verabreicht werden. Die wichtigsten Probiotika, die bei Nahrungsmittelallergien untersucht wurden, sind Laktobazillen und Bifidobakterien. 

Der genaue Wirkmechanismus ist noch wenig erforscht, doch es zeigt sich, dass die Einnahme von Probiotika die Symptome von Nahrungsmittelallergien auf verschiedene Weisen verhindern oder verringern kann. Sie hemmen die Vermehrung schädlicher Mikroorganismen und tragen dazu bei, ein Darmmilieu zu erhalten, das ein idealer Lebensraum für nützliche Bakterienarten ist. Sie verringern Störungen der Darmbarriere, die eine der Hauptursachen für das Eindringen schädlicher Bakterien und anderer Substanzen in den Darm sind und zu Mikroentzündungen führen. Hinzukommen werden künftig auch neuere Entwicklungen mit Postbiotika (Stoffwechselprodukte probiotischer Bakterien, kurzkettige Fettsäuren etc.) und der fäkalen Mikrobiota-Transplantation, die weiter erforscht werden müssen.Die Forscher ziehen das Fazit: Es gibt zunehmend Belege dafür, dass eine ungünstig zusammengesetzte Darm-Mikrobiota und eine gestörte Darmbarriere eine Rolle bei Lebensmittelallergien spielen. 

Sie können dazu beitragen, Immunreaktionen auszulösen und die Anfälligkeit für allergische Sensibilisierungen erhöhen. Verschiedene Maßnahmen können das Darm-Mikrobiom positiv beeinflussen. Dazu gehören eine gesunde Ernährung und die Aufnahme von Prä-, Syn- und Probiotika, die das Potenzial haben, die Darm-Mikrobiota und die Funktionen der Darmbarriere zu verbessern sowie Immunreaktionen zu modulieren. Dies kann das Risiko von Nahrungsmittelallergien verringern und die Therapie bestehender Allergien verbessern. Über die Beziehungen zwischen der Darm-Mikrobiota zu Nahrungsmittelallergien sollte künftig weiter geforscht werden.

Quelle
Remo Poto et al., The Role of Gut Microbiota and Leaky Gut in the Pathogenesis of Food Allergy. In: Nutrients, online 27.12.2023, doi: 10.3390/nu16010092.

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