Viele ältere Menschen nehmen, oftmals unkontrolliert, mehrere Medikamente gleichzeitig ein. Es gibt deutliche Hinweise, dass die Polypharmazie zu einer Mangelernährung bei älteren Menschen beiträgt.
Unter Polypharmazie versteht man die gleichzeitige Einnahme von mehreren, in der Regel mehr als fünf Medikamenten, doch es gibt dazu unterschiedliche Definitionen. Zu den verschiedenen Klassifizierungen gehören die Verbindungen von Anzahl und Dauer der Therapien ebenso wie die unterschiedlichen Arten von Medikamenten. Die Polypharmazie ist vor allem bei älteren Menschen weit verbreitet und wird mit verschiedenen negativen gesundheitlichen Folgen, einschließlich der Gebrechlichkeit, in Verbindung gebracht.
Die Rolle der Polypharmazie für den Ernährungszustand scheint von entscheidender Bedeutung zu sein. Obwohl über diesen eindeutigen Zusammenhang bei älteren Menschen vielfach berichtet wurde, ist das Ausmaß der Auswirkungen einer erhöhten Anzahl und verschiedenen Arten von Medikamenten auf das Risiko der Mangelernährung bisher eher wenig erforscht. Eine Gruppe italienischer Forscher stellte in einem Review dazu die aktuellen Kenntnisse vor.
Alterungsprozesse sind durch eine fortschreitende Anhäufung von molekularen und zellulären Schäden gekennzeichnet, die mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Gebrechlichkeit sowie mit akuten und chronischen Krankheiten einhergehen. Es ist allgemein bekannt, dass eine gesunde Lebensweise, einschließlich der regelmäßigen körperlichen Betätigung und einer gesunden Ernährung, vielen Krankheiten und Behinderungen älterer Erwachsener vorbeugen sowie Krankheiten beeinflussen kann.
Daher ist die Ernährung ein wesentlicher Aspekt für die Gesundheit älterer Menschen. Es wurden mehrere Mechanismen identifiziert und beschrieben, durch die häufig verwendete Medikamente den Ernährungszustand beeinflussen können. Die Polypharmazie ist besonders bei mangelernährten, gebrechlichen Patienten weit verbreitet, doch ihr Beitrag zu Komorbiditäten und Mangelernährung ist schwer zu bestimmen. In einer systematischen Übersicht auf der Basis von sechs Studien, die an in Gemeinschaft lebenden, in Heimen untergebrachten älteren Erwachsenen durchgeführt wurden, war die Polypharmazie in fünf der Studien ein Risikofaktor für die Mangelernährung.
Aufgrund der möglichen negativen Wirkungen der Polypharmazie sollte die Ernährung älterer Erwachsener, bei denen das Risiko einer Mangelernährung besteht oder die davon betroffen sind, nach einem integrierten und individuellen Ansatz erfolgen, um den Ernährungszustand zu verbessern.
Für die mögliche Absetzung von Medikamenten (Deprescribing) müssten systematisch die Medikamente ermittelt werden, die abgesetzt oder wenigstens reduziert werden können. Dies könnte ein wesentlicher Schritt sein, um Wirkungen der Polypharmazie auf die Mangelernährung zu verringern. Das Absetzen von Medikamenten wird vorgeschlagen, wenn offensichtliche oder mögliche unerwünschte Wirkungen vermutlich den Nutzen eines oder mehrerer Medikamente überwiegen. Dabei sollten individuell mehrere Aspekte berücksichtigt werden, die in der Regel mit Funktionen und Gebrechlichkeit etc. einhergehen. Zwar gibt es Leitlinien und Empfehlungen für den Umgang mit der Mangelernährung und Polypharmazie bei älteren Erwachsenen, doch die wirksame Umsetzung wird zu oft verpasst.
Die Forscher ziehen das Fazit: Die Rolle von Medikamenten bei der Mangelernährung im Alter ist komplex und sehr wichtig. Bei älteren Patienten, die mehrere Medikamente einnehmen, ist die beste Methode zur Lösung des Problems eine umfassende geriatrische Beurteilung, die auf einem ganzheitlichen Ansatz beruht, einschließlich einer Überprüfung der Medikamente, um möglicherweise unnötige oder unangemessene Medikamente zu finden. Ernährungs- und verschreibungsbezogene Maßnahmen müssen auf die Bedürfnisse der Patienten angepasst werden. Die Beziehungen zwischen der Polypharmazie und der Mangelernährung sollte in weiteren Studien näher geklärt werden.
Quelle
Michaela Zanetti et al., Polypharmacy and malnutrition in older people: A narrative review. In: Nutrition Vol. 115, November 2023, doi: 10.1016/j.nut.2023.112134.