Mikronährstoffe in der Schwangerschaft

Frauen wird in der frühen Schwangerschaft die Aufnahme von Folsäure zur Vorbeugung vor Neuralrohrdefekten beim Fötus empfohlen, trotzdem treten einige solcher Defekte auf. Forscher untersuchten, ob die Aufnahme von Methylspendern und anderen Mikronährstoffen, die am Ein-Kohlenstoff-Stoffwechsel beteiligt sind, einen stärkeren Schutz vor Neuralrohrdefekten bieten könnten.

In vielen Studien wurde nachgewiesen, dass sich bei guten Aufnahmen von Folsäure um die Zeit der Befruchtung herum bis in die frühe Schwangerschaft hinein das Risiko von Neuralrohrdefekten beim Embryo verringert. Dies sind schwere Fehlbildungen des Zentralen Nervensystems, die entstehen, wenn sich das Neuralrohr (Vorläufer des Nervensystems) nicht richtig schließt. Das führt zu lebenslangen, schweren Behinderungen oder gar zum Tod des Fötus oder Neugeborenen. Die häufigsten Folgen sind Defekte im Gehirn (Anenzephalie) und Rückenmark (Spina bifida), je nachdem, welcher Teil des Neuralrohrs sich nicht schließt. 

Zur besseren Versorgung mit Folsäure führte man in vielen Ländern ihren Zusatz in Getreideprodukten ein. Frauen mit Kinderwunsch und Schwangeren werden außerdem Ergänzungen mit Folsäure empfohlen. Trotzdem kam es z. B. in den USA bei rund 3.000 Schwangerschaften pro Jahr zu Neuralrohrdefekten. Man schätzt, dass etwa 20 % bis 50 % dieser Fälle bei Frauen auftreten, die die empfohlenen 400 mcg Folsäure pro Tag zur Vorbeugung dieser Fehlbildungen aufnehmen. Das könnte darauf hinweisen, dass einige Schwangerschaften auf die schützende Wirkung von Folsäure nicht so gut ansprechen wie andere.

Ein Mechanismus, durch den die Folsäure Neuralrohrdefekte verhindern kann, ist ihre Wirkung als Methylgruppen-Donator (-CH3, als Teil größerer Moleküle) im C1-Stoffwechsel (Ein-Kohlenstoff-Stoffwechsel). Er ist u. a. für die DNA-Synthese in der Embryogenese (Phase zur Bildung des Embryos) entscheidend. Möglicherweise ist jedoch nicht nur die Folsäure allein, sondern der C1-Stoffwechsel insgesamt an der Entstehung von Neuralrohrdefekten beteiligt. Dann könnten auch die Aufnahmen anderer Mikronährstoffe, die als Methyl-Donatoren bzw. Cofaktoren im C1-Stoffwechsel wirken, die Neuralrohr-Bildung beeinflussen. 

Dies wird durch Nachweise höherer Aufnahmen der B-Vitamine (B12, B6, B1, B2) sowie von Cholin, Betain, Methionin und Zink unterstützt, doch die Ergebnisse sind bisher nicht einheitlich. Eine Erklärung dafür ist, dass diese Mikronährstoffe bisher eher einzeln untersucht wurden. Möglicherweise führen sie kombiniert zur besseren Senkung des Risikos für Neuralrohrdefekte. Das entspricht stärker der Ernährungs-Synergie, d.h. der gesamten Wirkung von Nahrungsbestandteilen. Eine Gruppe US-amerikanischer Forscher untersuchte diese Beziehungen in der „National Birth Defects Prevention Study", einer Bevölkerungsstudie zur Prävention von Geburtsschäden. Geprüft wurde auch, ob die Aufnahme von Methylspendern, die am C1-Stoffwechsel beteiligt sind, einzeln oder kombiniert das Risiko für Neuralrohrdefekte bei schwangeren Frauen senken können, deren tägliche Folsäurezufuhr den üblichen Empfehlungen entsprachen. Ausgewertet wurden rund 8.300 Geburten zwischen 1999 und 2011. 

Die Mütter hatten perikonzeptionell, d. h. um die Zeit der Befruchtung herum und in der frühen Schwangerschaft, täglich Folsäure oder Folat-Äquivalente in der Nahrung von ≥400 mcg aufgenommen. Sie machten ausführliche Angaben zu ihrer Ernährung und zu den Aufnahmen von Mikronährstoffen, daraus konnten individuell die Anteile einzelner Mikronährstoffe berechnet werden. Insgesamt verliefen 7.095 Geburten normal und dienten zur Kontrolle. Es traten 1.227 Fälle von Neuralrohrdefekten (einschließlich von Lebendgeburten, Totgeburten oder Abbrüchen aufgrund von Spina bifida etc.) auf. Die Beziehungen zwischen jedem einzelnen Mikronährstoff und den Neuralrohrdefekten waren schwach bis mäßig. 

Ein geringeres Risiko für Neuralrohrdefekte wurde jedoch bei der gleichzeitigen Zufuhr mehrerer Mikronährstoffe in höheren Dosierungen beobachtet. So war z. B. die Wahrscheinlichkeit eines Neuralrohrdefektes bei der Aufnahme von wenigstens vier Mikronährstoffen mit einer höheren Zufuhr um rund 50 % geringer als bei weniger Mikronährstoffen. Die stärkste Risiko-Senkung (rund 75 % geringer) trat bei der gleichzeitigen Aufnahme von höheren Mengen an den Vitaminen B6 und B12 sowie von Cholin, Betain und Methionin auf, im Vergleich zu weniger Mikronährstoffen im höheren Bereich. Nicht geklärt werden konnte, ob die Vitamine B1 und B2 sowie Zink einen zusätzlichen Nutzen bringen könnten.

Die Forscher ziehen das Fazit: Diese Ergebnisse zeigen, dass der Mechanismus, durch den die Folsäure Neuralrohrdefekte in der Schwangerschaft bei den Kindern verhindern kann, im C1-Stoffwechsel liegt. Damit verstärken sich die Nachweise, dass eine höhere Zufuhr von Methylspendern und anderen Mikronährstoffen, die am C1-Stoffwechsel beteiligt sind, zu geringeren Vorkommen von Neuralrohrdefekten beitragen könnten. Die Vorbeugung vor diesen Schädigungen könnte sich möglicherweise mit kombinierten Aufnahmen von geeigneten Mikronährstoffen deutlich verbessern lassen.

Quelle
Julie M. Petersen et al., Periconceptional intakes of methyl donors and other micronutrients involved in one-carbon-metabolism may further reduce the risk of neural tube defects in offspring: a United States population-based case-control study of women meeting the folic acid recommendations. In: The American Journal of Clinical Nutrition, Vol.118, Nr. 3, September 2023, S. 720-728., doi: 10.1016/j.ajcnut.2023.05.034.

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