Eine gesunde Ernährung, die reichlich antientzündlich wirkende Lebensmittel enthält, kann die Vorkommen von Parodontitis verringern. Das zeigt eine Untersuchung im Rahmen einer großen städtischen Gesundheitsstudie, der „Hamburg City Health Study".
Die Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung, von der die Zähne sowie das sie umgebende Gewebe und der Kieferknochen betroffen sind. Nach der Karies ist die Parodontitis die häufigste Mundkrankheit und eine der Hauptursachen für Zahnverlust. In Deutschland geht man von bis zu 11,5 Millionen Menschen aus, die von Parodontitis betroffen sind. Bevor die Krankheit entsteht, kommt es zu Entzündungen des Zahnfleischs. Halten sie länger an, entstehen häufiger Blutungen (z. B. beim Essen oder Zähneputzen), und schädliche Bakterien können sich weiter ausbreiten. Befallen wird dann das Zahnbett, es entstehen Zahnfleischtaschen, in denen Bakterien in tiefere Zahnschichten eindringen können. Entwickelt sich die Parodontitis ungestört weiter, kommt es in einem längeren Prozess zum Abbau des Zahnhalteapparates, wobei sich die Zähne lockern und schließlich ausfallen können. Aus vielen Studien ist bekannt, dass Entzündungen durch die Ernährung beeinflusst werden, dabei spielen sowohl entzündliche als auch antientzündliche Faktoren eine Rolle.
Es gibt Hinweise, dass eine ungünstige Ernährung, die entzündliche Prozesse fördert, sich auf die Parodontitis auswirken kann. Das gilt für den häufigen Verzehr raffinierter Kohlenhydrate, stark gesättigter Fette und wenig Ballaststoffen, für Süßwaren, Weizenprodukte und übermäßigen Fleischkonsum (vor allem rotes Fleisch) sowie für stark verarbeitete Lebensmittel und zuckersüße, kohlensäurehaltige Getränke. Die entzündlichen Bestandteile der Ernährung lassen die zirkulierenden Interleukin-Spiegel ansteigen, das führt zur erhöhten Produktion von hsCRP (hochsensitives C-reaktives Protein), das eine wichtige Rolle bei systemischen Entzündungen spielt. Das begünstigt das Wachstum von schädlichen mikrobiellen Gemeinschaften und verstärkt Zahnfleischentzündungen, was die Parodontitis auslösen oder deren Fortschreiten vorantreiben kann. Eine gesunde Ernährung kann dagegen dazu beitragen, entzündliche Prozesse zu verringern bzw. ihrer Entstehung vorzubeugen. Studien zeigten, dass eine Ernährung, die reich an Antioxidantien, Mineralien, Vitaminen, mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen ist, die Gesundheit des Zahngewebes stärken kann.
Dazu tragen z. B. die DASH-Diät (Dietary Approach to Stop Hypertension) und die mediterrane Ernährung mit ihren hohen Anteilen an Gemüse, Obst, Gewürzen, Kräutern und Olivenöl bzw. gesunden Fetten bei. Noch ist nicht eindeutig geklärt, welche Lebensmittel das größte proentzündliche und antientzündliche Potenzial haben und mit der Parodontitis in Verbindung stehen. Forscher der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf prüfte die Beziehungen zwischen der Ernährung und Parodontitis im Rahmen der „Hamburg City Health Study". In dieser großen Langzeitstudie zur Gesundheit von Hamburgern zwischen 45 und 74 Jahren werden seit Beginn im Jahr 2015 die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten und Demenz etc. untersucht.
Einbezogen waren 5.642 Personen, die an einer ausführlichen Ernährungsbefragung teilnahmen, bei der sie auch die Häufigkeit angaben, mit der sie bestimmte Lebensmittel aßen. Bei allen wurde die Zahngesundheit geprüft, dazu gehörte auch die Bestimmung der Vorkommen von Parodontitis (Blutung, Sondierungstiefe, Gingivarezession). Mit einem eigens entwickelten antientzündlichen Ernährungs-Score setzen die Forscher die Parodontitis zu relevanten Gruppen von Lebensmitteln und Biomarkern für Entzündungen (hsCRP, IL-6) in Beziehung. Sie untersuchten bei den Teilnehmern zum einen die Einhaltung verschiedener gesunder Ernährungsweisen (DASH-, Mittelmeer-, MIND-Diät), sie wählten zum anderen bestimmte Lebensmittelgruppen aus, die mit entzündlichen Biomarkern korrelierten.
Gemüse und Obst sowie Nüsse, Samen und Hülsenfrüchte wurden als antientzündliche Lebensmittel identifiziert, die reichlich verzehrt werden sollten. Die Auswertungen zeigten, dass 1.327 (24 %) Teilnehmer entweder keine oder nur eine leichte Parodontitis hatten. Bei 3.264 (58 %) Teilnehmern wurde die Parodontitis als mittelschwer eingestuft, und 1.051 (19 %) Teilnehmer hatten eine schwere Parodontitis, von ihr waren häufiger ältere Männer betroffen. Teilnehmer mit schwerer Parodontitis rauchten häufiger und hatten mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren, z. B. einen höheren BMI, Diabetes und Bluthochdruck, und sie nahmen mehr Medikamente ein. Sie nahmen täglich auch mehr Kalorien mit ihrer Ernährung auf und hatten höhere Werte für die Entzündungs-Biomarker. Sie kamen nur auf geringe Anteile an antientzündlichen Lebensmitteln und hatten eine generell schlechtere Zahngesundheit.
Dagegen konnte eine gute, antientzündliche Ernährung die Vorkommen von Parodontitis um 14 Prozent verringern. Wurden auch mögliche andere Einflussfaktoren (Alter, Geschlecht, Rauchen, Diabetes, Bluthochdruck und körperliche Aktivität) einbezogen, konnte die antientzündliche Ernährung die Parodontitis immer noch signifikant um 7 Prozent senken.
Die Forscher ziehen das Fazit: Erstmals wurde in der „Hamburg City Health Study" der Zusammenhang zwischen potenziell antientzündlichen und proentzündlichen Lebensmittelgruppen und der Parodontitis in einer älteren, deutschen Bevölkerung untersucht. Mit dem Ernährungs-Score für anti- und proentzündliche Lebensmittel zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer proentzündlichen Ernährung und der Parodontitis. Die Forscher gehen davon aus, dass eine solche Ernährung die Symptome von Parodontitis-Patienten verschlimmern kann. Dagegen hatten Teilnehmer, deren Ernährung stärker der DASH- und mediterranen Ernährung entsprach, ein geringeres Risiko, an Parodontitis zu erkranken.
Ob eine antientzündliche Ernährung zur Rückbildung der Krankheit beitragen kann, muss künftig in weiteren Studien geklärt werden. Zusätzlich zur Therapie der Parodontitis und Empfehlungen für die gute Mundhygiene könnten Ernährungsempfehlungen dazu beitragen, die Krankheit zu verringern bzw. ihre Entstehung zu verhindern. Bisher beschränken sich Zahnmediziner bei jüngeren Patienten meist auf die Empfehlung, den Zuckerkonsum zu begrenzen. Informationen über eine gute, antientzündliche Ernährung könnten alle Patienten unterstützen, ihre Entzündungs-Werte in der Ernährung zu senken und damit auch zu ihrer Mundgesundheit beizutragen.
Quelle
Berit Lieske et al., Association between an Anti-Inflammatory Dietary Score and Periodontitis — Evidence from the Population-Based Hamburg City Health Study. In: Nutrients, online 21.07.2023, doi: 10.3390/nu15143235.