Probiotika, die gesunden Darmbakterien, wirken nicht nur lokal, sie sind über die Darm-Hirn-Achse auch mit dem Gehirn verbunden. Probiotika können bei Depressionen die Therapie unterstützen und zur Linderung der Symptome beitragen, wie eine neue Studie zeigt.
Depressionen sind eine häufig vorkommende psychische Krankheit, die längere Zeit anhält mit einem Zustand, in dem alle Gefühle verringert sind. Typisch sind vor allem anhaltende gedrückte Stimmungen, Interessen-, Antriebs- und Freudlosigkeit. Die Vorkommen sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen, das wird oft auf den erhöhten Stress in der Gesellschaft zurückgeführt. Depressionen werden vor allem mit Psychotherapien und auch durch Medikamente (Antidepressiva) behandelt. Die Ergebnisse sind jedoch nicht immer zufriedenstellend, weil die Patienten nicht ausreichend reagieren oder gar resistent sind. Daher wird auch nach anderen Möglichkeiten gesucht, den Zustand depressiver Patienten zu verbessern. Es gibt aus einigen Studien Hinweise, dass das Mikrobiom des Darms die Funktionen des Gehirns und das Verhalten bei Depressionen beeinflussen kann.
Doch bisher fehlt es an Studien, in denen die Wirkung von Probiotika auf depressive Symptome, typische Marker im Gehirn und das Mikrobiom und bei betroffenen Patienten untersucht wurde. Zum Mikrobiom des Darms gehören alle Mikroorganismen, die dort angesiedelt sind. Wichtig sind für die Bakteriengemeinschaft gute Vorkommen von gesunden Bakterien, z. B. Laktobazillen und Bifidobakterien. Sie haben viele Funktionen für die Gesundheit, dazu gehört auch, dass sie das Nervensystem über die sogenannte Darm-Hirn-Achse beeinflussen können. Aus früheren Studien ist bekannt, dass depressive Patienten oft auch Magen-Darm- bzw. Verdauungsprobleme haben. Aus experimentellen Studien gibt es außerdem Hinweise, dass die Darmflora bei Depressionen eine Rolle spielen könnte. Eine Gruppe schweizer Forscher führte erstmals dazu eine kleine Studie mit Probiotika bei Depressionen durch.
An der (randomisierten, kontrollierten) Studie nahmen 47 erwachsene, depressive Patienten der Universitätsklinik in Basel teil, bei allen wurde der Schweregrad der Depressionen (mit der Hamilton Depression Rating Scale) bestimmt. Dann nahmen sie, in zwei Gruppen eingeteilt, zusätzlich zu den verordneten antidepressiven Medikamenten entweder 31 Tage lang täglich ein hochdosiertes Präparat mit Probiotika ein, das mehrere Bakterienstämme enthielt (darunter Bifidobakterien und Laktobazillen) oder zum Vergleich ein Placebo. Am Ende der Studie wurde bei allen Teilnehmern erneut der Schweregrad der Depressionen bestimmt und mit den Anfangswerten verglichen. Die Tests wurden dann noch einmal nach vier Wochen wiederholt. In Stuhlproben wurden zu allen drei Test-Zeitpunkten außerdem die Vorkommen von Darmbakterien untersucht.
Bei allen Teilnehmern nahmen die depressiven Symptome im Lauf der vier Wochen Studienzeit ab. In der Probiotika-Gruppe verbesserte sich der Zustand der Patienten signifikant stärker im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Das zeigte sich an der Depressions-Skala und auch an der mikrobiellen Vielfalt im Darm. Im Gehirn erhöhte sich das Volumen der grauen Substanz in bestimmten Bereichen (Sulcus cacarinus), die für emotionale Prozesse zuständig sind, und allgemein normalisierte sich die Hirnaktivität. Im Mikrobiom des Darms erhöhten sich speziell die Werte der gesunden Laktobazillen, begleitet von geringeren depressiven Symptomen. Allerdings sanken die Werte der Laktobazillen in den vier Wochen nach dem Studienende wieder ab. Die Forscher vermuten, dass vier Wochen der Einnahme von Probiotika nicht ausreichend sein könnten, um das Milieu der gesunden Bakterien im Darm längerfristig zu stabilisieren.
Die Forscher ziehen das Fazit: Erstmals konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass die zusätzliche Gabe von Probiotika bzw. ein verbessertes Darm-Mikrobiom dazu beitragen kann, Depressionen zu verbessern bzw. zu lindern. Probiotika können die gesunden Bakterien im Darm fördern, den Artenreichtum und die Anzahl der gesunden Bakterienstämme erweitern. Die Ergebnisse unterstreichen die Rolle der Darm-Hirn-Achse bei Depressionen. Probiotika könnten eine leicht zugängliche, nicht stigmatisierende Möglichkeit sein, die bisherigen Behandlungen bei Depressionen zu ergänzen und zu unterstützen.
Quelle
Anna-Chiara Schaub et al., Clinical, gut microbial and neural effects of a probiotic add-on therapy in depressed patients: a randomised controlled trial. In: Translational Psychiatry, online 3.6.2022, doi: 10.1038/s41398-022-01977-z.