Ergänzungen von Niacin und NAD+ bei Netzhautkrankheiten

Das Glaukom und die altersbedingte Makuladegeneration sind fortschreitende Erkrankungen der Netzhaut. Sie sind durch einen erhöhten oxidativen Stress, Entzündungen und Mitochondrien-Dysfunktion gekennzeichnet. Ergänzungen des B-Vitamins Niacin und das von ihm abgeleitete Coenzym NAD+ könnten die Therapie dieser Augenkrankheiten möglicherweise unterstützen.

Das Glaukom (grüner Star) und die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) gehören zu den häufigsten Ursachen für Sehveränderungen bei älteren Menschen und können bis zur
Erblindung führen. Die häufigste Form des Glaukoms, das primäre Offenwinkelglaukom, ist mit einem fortschreitenden, dauerhaften Sehverlust verbunden, der durch eine chronische Schädigung des Nervus opticus (Optikusneuropathie) verursacht wird. Während das Glaukom üblicherweise den größten Teil des Netzhautbereichs betrifft, beschränkt sich die AMD auf den Makulabereich (in der Netzhautmitte) und führt zu einem fortschreitenden Verlust des zentral fokussierten Sehens. Unabhängig von Variationen und der Progressionsrate haben beide Augenkrankheiten gemeinsame Ursachen. Das gilt z. B. für einen erhöhten oxidativen Stress, Entzündungen und Dysfunktionen der Mitochondrien (Kraftwerke der Zellen). 

Außerdem gehen beide Erkrankungen stark mit einem erhöhten Augeninnendruck einher, dessen Behandlung eine Hauptstütze bei der Therapie des Glaukoms und der AMD ist. Allerdings kann ein Glaukom auch ohne einen erhöhten Augeninnendruck entstehen. Bei beiden Krankheiten liegt außerdem eine deutliche Störung der oxidativen Phosphorylierung der Netzhautzellen vor, dies ist ein metabolischer Prozess in den Mitochondrien, durch den Sauerstoff generiert wird. Neuroschützende Therapien, zu denen auch Vitamine wie Niacin gehören, fanden in den letzten Jahren als therapeutische Möglichkeiten für neurodegenerative Erkrankungen wie das Glaukom eine verstärkte Aufmerksamkeit. Es gibt Hinweise auf einen Mangel am Coenzym NAD+ (Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid, abgeleitet von Niacin) bei Glaukom-Patienten. Dieser Mangel hängt mit normalen Alterungsprozessen zusammen und erhöht die Anfälligkeit für das primäre Offenwinkelglaukom. 

Neuere Forschungen zeigten, dass NAD+ eine Rolle bei der Verbesserung der Mitochondrien-Dysfunktion und des oxidativen Stresses bei der Therapie des Glaukoms und der AMD spielen könnte. Weiter hat sich Niacin als nützlich erwiesen, um die Durchblutung der Aderhaut bei Patienten mit AMD zu verbessern. Es zeigte sich weiter, dass Menschen, die mit ihrer Ernährung mehr Niacin aufnehmen, ein geringeres Risiko haben, an einem Glaukom zu erkranken. Das könnte auf einen möglichen neuen Therapieweg hindeuten. Eine Gruppe kanadischer Forscher untersuchte daher die Auswirkungen von Niacin auf die Augengesundheit in einem Review. Sie prüften die Entwicklungen des Glaukoms und der AMD sowie die möglicherweise schützenden Wirkungen, die Niacin und NAD+ bei deren Fortschreiten bieten können.

Das Glaukom ist durch eine fortschreitende Schädigung des Sehnervs und das Absterben der retinalen Ganglienzellen gekennzeichnet, die visuelle Informationen der Netzhaut über den Sehnerv ins Gehirn weiterleiten. Es gibt Hinweise, dass die Ergänzung von Niacin gegen diese strukturellen Schäden bei der häufigsten Glaukomform, dem primären Offenwinkelglaukom, wirken könnte. Einige klinische Studien deuten z. B. darauf hin, dass Ergänzungen von Nikotinamid (eine Niacin-Form) signifikant die Empfindlichkeit des Gesichtsfeldes verbessern könnte, besonders bei Patienten mit einer mittleren Empfindlichkeit zu Beginn der Studie. 

Niacin-Ergänzungen könnten die Funktion von Ganglienzellen mit suboptimaler Funktion verbessern, jedoch weniger auf vollständig geschädigte Zellen einwirken. Bevölkerungsstudien zeigten eine positive Beziehung zwischen Niacin-Aufnahmen und den Vorkommen des Glaukoms, was die präventive Rolle unterstreicht. Einige Ergebnisse lassen vermuten, dass die therapeutische Wirksamkeit von Niacin auf die Netzhaut und das Glaukom vermutlich bei Dosierungen verbessert wird, die über die empfohlenen täglichen Aufnahmen hinausgehen. Insgesamt lässt sich sagen, dass es sowohl aus Tier- als aus Humanstudien vorläufige Belege für die schützende Wirkung von NAD+ und Niacin auf ein verlangsamtes Fortschreiten des Glaukoms gibt.

Bei der Makuladegeneration ist die Studienlage in Bezug auf NAD+ und Niacin weniger klar. Einige klinische Studien, die Niacin-Ergänzungen untersuchten, zeigten signifikante Verbesserungen der Gesichtsfeld-Sensitivität und der inneren Netzhaut-Funktionen, wobei ein dosisabhängiger Zusammenhang bestand. Das unterstützt die mögliche therapeutische Rolle von Niacin bei der AMD-Therapie. Der Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Niacin über die Nahrung und dem AMD-Risiko wurde weiter untersucht, mit nicht einheitlichen Ergebnissen. Insgesamt gibt es nur wenige Berichte über Niacin-Ergänzungen bei AMD-Patienten und auch keine neueren klinischen Erkenntnisse. 

Zwar deuten die Nachweise darauf hin, dass Niacin-Ergänzungen potenzielle Vorteile bei der AMD-Therapie haben könnten, doch die bisherigen klinischen Daten sind dazu nicht schlüssig. In einer kürzlich in der Tschechischen Republik durchgeführten Fall-Kontroll-Studie wiesen AMD-Patienten im Vergleich zu den Kontrollpersonen eine deutlich geringere Zufuhr an Nahrungsenergie auf, einschließlich einer geringeren Aufnahme an Niacin. Die Untersuchungen deuteten darauf hin, dass AMD-Patienten die empfohlenen Zufuhren von Mikronährstoffen mit geringerer Wahrscheinlichkeit erreichen.

Die Forscher ziehen das Fazit: Insgesamt lässt sich sagen, dass Nahrungsergänzungen mit Nikotinamid und NAD+ eine vorteilhafte präventive Rolle bei der Entwicklung von Glaukom und AMD spielen können. Niacin, eine Vorstufe von NAD+, hat sich als vielversprechend erwiesen, wenn es darum geht, den NAD+-Spiegel wieder aufzufüllen, den Blutfluss in der Aderhaut zu verbessern und oxidative Schäden zu verringern. Dies könnte neue Wege für die Therapie von Glaukom und AMD eröffnen, die sich nicht nur auf die Kontrolle des Augeninnendrucks beziehen. Niacin und seine Derivate wurden in experimentellen Studien getestet, doch bisher in ihrer Wirksamkeit nur wenig in klinischen Studien untersucht. Die Rolle von Niacin sollte bei der Therapie von Glaukom und AMD künftig in weiteren Studien untersucht werden.

Quelle:
Mohamed R. Gemae et al., NAD+ and Niacin Supplementation as Possible Treatments for Glaucoma and Age-Related Macular Degeneration: A Narrative Review. In: Nutrients, online 21.08.2024, doi: 10.3390/nu16162795.

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